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Offensive Tanz

Michaela Schlagenwerth

Noch ein Netzwerk für den Tanz?

Eindrücke von der Konferenz „Futur Tanz II“

Noch ein Netzwerk für zeitgenössischen Tanz? Bloß nicht! Oder? In den vergangenen drei Jahrzehnten hat der zeitgenössische Tanz bundesweit und vor allem auch in Berlin soviel an Netzwerk geschaffen, dass man von außen kaum mehr einen Überblick hat. Mit Aktion Tanz hat sich auch für die Tanzvermittlung ein starkes Netzwerk etabliert. Wozu also noch mehr? Wer soll all diese Zeit und Energie aufbringen, um in noch mehr Gremien zu sitzen und selbst neue Sitzungen zu generieren?

Nach der zweiten Konferenz „Futur Tanz II: In Aktion kommen“ im Mai (nach Futur I im Januar) geht man mit der überraschenden Erkenntnis nach Hause, dass es ein weiteres, ein neues Netzwerk für den zeitgenössischen Tanz doch braucht. Unbedingt sogar. 

„Auf dem Sprung zur Sparte?“ hatte Futur Tanz I im Januar gefragt und schon mit der Frage konstatiert, was der Tanz für junges Publikum nicht ist, aber eigentlich sein sollte – eine eigene Sparte. Zwar gibt es inzwischen mehr Fördertöpfe und entsprechend konnten sich die Produktionen von professionellen Tänzer:innen und Choreograf:innen für junges Publikum qualitativ wie quantitativ deutlich weiter entwickeln. Aber davon, sich neben dem Kinder- und Jugendtheater als eigene Sparte zu etablieren, ist der junge Tanz noch sehr weit entfernt. Aber um nichts anderes kann es perspektivisch gehen.

Prof. Dr. Gerd Taube, Leiter des KJTZ, und Martina Kessel, Vorstand von Aktion Tanz. Foto: David Beecroft

Dass in einer zunehmend digitalisierten Welt Tanz als Kunstform eine entsprechend bedeutendere Rolle spielt - und zwar vor allem für Kinder und Jugendliche – ist in einem gewissen Maß in der Kulturpolitik inzwischen Konsens. Aber bewegen wird sich ohne Eigeninitiative durch die Tanzszene trotzdem nichts.

Wie also kann aus temporären Förderungen, wie die „Offensive Tanz“ selbst auch eine ist, Verstetigung und Auf- und Ausbau gelingen? Ohne ein langfristig und professionell angelegtes, also mit bezahlten Stellen arbeitendes Netzwerk wird das nicht möglich sein. Dieses zu initiieren, das hat die Konferenz "Futur II" deutlich gemacht, ist aber selbst eine komplexe Angelegenheit.

• Welche Arbeitsaufträge koppeln sich an einen Auf- und Ausbau einer Sparte Tanz für junges Publikum?

• Welches Tanzverständnis ist gemeint und wie weit ist das gefasst?

• Wie werden die unterschiedlichen Strukturen von Stadt und ländlichen Regionen mitbedacht?

• Wie können Konzepte entwickelt werden, die beiden gerecht werden?

• Und: Was bedeutet es, das Ganze so aufzustellen, dass Equity - also Gleichberechtigung, Chancengleichheit und machtkritische Diversität - die Ausgangsbasis ist? 

Tim Winter, TANZKOMPLIZEN. Foto: David Beecroft

Auf der Konferenz Futur II gab es eine verwirrende Vielzahl von Ideen dafür, was ein solches Netzwerk alles leisten könnte. Letztlich hat dies deutlich gemacht, was das neue Netzwerk unbedingt auch braucht - einen sehr klar fokussierten, zielorientierten Auftrag. Ganz bestimmt lässt sich Tanz für junges Publikum nicht als eine neue Sparte aufbauen, ohne eine entsprechende Förderung von Tänzer:innen und Choreograf:innen.

Um junges Publikum zu generieren müssen gerade auch die Erwachsenen, die Lehrpersonen in der Schule mitgedacht werden. Es braucht auf diesem Feld eine weitgehende Vermittlungs- und Aufbauarbeit.

Wie kann sich das gestalten? Überhaupt, um welche Inhalte geht es? Wie können thematische Schwerpunktsetzungen aussehen, die vielleicht auch Schulen grundsätzlich den Tanz näher bringen? Etwa, indem sie mit den Rahmenlehrplänen korrespondieren? Junge Tänzer:innen und Choreograf:innen müssen gefördert werden. Es braucht Austausch untereinander, um voneinander zu lernen und sich gemeinsam weiterzuentwickeln. 

Nanine Schulz, Lehrerin an der Erika-Mann-Grundschule, und Amelie Mallmann, Tanzvermittlerin bei TANZKOMPLIZEN. Foto: David Beecroft

Gehört das alles – und weiteres – in so ein neues Netzwerk, das sich die Etablierung einer Sparte Tanz für junges Publikum zum Ziel setzt? Welche Aufträge sind unbedingt an so ein Netzwerk gekoppelt? Welche sind vielleicht bei Aktion Tanz besser aufgehoben? Welche sollten, Hand in Hand, von beiden Netzwerken bearbeitet werden? 

Nur eine Sache scheint klar: Das neue Netzwerk wird sich in seinem Kern damit befassen müssen, wo die Sparte Tanz für junges Publikum ihren Ort, bzw. ihre Orte und wo und wie sie entsprechende Förderung finden kann. Die weiteren spezifischen Anforderungen zu sondieren wird vermutlich Thema von noch mehr als nur von einer Konferenz. Bis dann aber trotzdem in hoffentlich nicht allzu ferner Zukunft genau so ein Netzwerk gegründet werden kann.

Michaela Schlagenwerth, Autorin und Kulturagentin im Programm Kulturagenten für kreative Schulen, und Florian Bilbao, Tänzer und Choreograf. Foto: David Beecroft