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Offensive Tanz

Tanzbotschafterinnnen Mira und Etchi

"...dieses Freiheitsgefühl ausleben."

Interview mit Farah Deeh und Olivia Mitterhuemer von Potpourri Dance

 „Für mich ist das Wichtigste am Tanzen, dass ich immer wieder diesen Flow Zustand erreiche, also wenn das Tanzen sich nicht nur nach Arbeit anfühlt und ich hin und wieder auch diese spirituellen Momente habe. Und das Feuer quasi brennt.“

Die Performance PUSH von Farah Deeh und Olivia Mitterhuemer von Potpourri Dance ist im Rahmen des Projektes RAUSGEHEN im Herbst 2023 in Kooperation mit der Hector-Peterson-Schule entstanden.

Olivia und Farah tanzen seit ihrer Jugend „House“ zusammen, und sind nicht nur in ihren Wohnorten Wien und Salzburg, sondern durch erfolgreiche Touren an vielen anderen Orten bekannt. Im Herbst 2023 haben sie im Rahmen des Projekts RAUSGEHEN der Offensive Tanz für junges Publikum an der Hector-Peterson-Schule Berlin mehrere Tanzworkshops für Schulklassen gegeben und inspiriert von der Arbeit mit den Jugendlichen, die House Dance Performance PUSH entwickelt. Das Stück wurde am 14.11.23 im Rahmen des Offensive Fachtages Equity im Tanz an der Schule uraufgeführt.

Die Workshops kamen bei den Schüler*innen sehr gut an, und viele hoffen, dass Olivia und Farah das nächste Mal, wenn sie in Berlin sind, erneut ein solches Projekt starten.

Mit Sätzen wie „der Workshop war großartig und hat sehr viel Spaß gemacht!“ beschrieben Schüler*innen das Erlebte. Sie hatten besonders viel Spaß an der Tanzbattle-mäßigen Stimmung, die entstand, als Olivia und Farah den Klassen in der Mitte eines Sitzkreises einige Tanzeinheiten präsentierten. Tatsächlich gab es später auch als Abschluss des Fachtages „Equity im Tanz“ ein richtiges Dance Battle in der Turnhalle der Schule, bei dem Olivia mit in der Jury saß. Zuvor jedoch fand die Performance PUSH von Olivia und Farah statt, bei deren Probe wir bereits in der Turnhalle einmal zuschauen durften.

Anschließend haben wir die Beiden ein wenig ausgefragt:

Wie seid ihr auf „House“ gekommen und was gefällt euch daran besonders gut?

House Dance ist ein Tanzstil, den wir vor 15 Jahren kennen gelernt haben, in einem Studio in Salzburg. Seitdem sind wir im House Dance, aber auch im Hip Hop, Locking, Popping, einfach so in verschiedenen Street- und Clubstyles zuhause. Wir haben begonnen selbst Shows zu tanzen und sind mit unserem Tanzrepertoire auch viel in Theatern unterwegs. Außerdem organisieren wir Dance Battles und sind selbst als Battle-Tänzerinnen aktiv. Bei mehrere Recherchereisen nach Amerika und Asien, haben wir mehr über diese Tanzkultur, die sich mittlerweile an vielen Orten entwickelt hat, erfahren.

House Dance ist in Amerika - Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre - entstanden, in Clubs: also er kommt nicht von der Straße, so wie viele Leute glauben. House ist vor allem von marginalisierten Gruppen geprägt worden, von einer Queeren Community. Wir beschäftigen uns viel mit den Ursprüngen und der Entwicklung des Tanzstils und wo sich House Dance heute verortet.

Dabei fasziniert uns immer wieder, dass die Leute sich in diesem Stil und diesen Clubs so wohl gefühlt haben. Weil sie da ihre Familien gefunden haben und dieses Freiheitsgefühl ausleben konnten.
Portrait von Olivia Mitterhuemer und Farah Deen
Olivia Mitterhuemer und Farah Deen von Potpourri Dance

Welcher Ort hat euch bei euren Touren am besten gefallen?

Schwere Frage. Wir waren mal in New York, zu zweit, auf einer Recherche-Reise wo wir einfach viel in Clubs, auf Partys und ins Tanzstudio gegangen sind, Wir haben uns einfach total auf die House-Kultur eingelassen. Und einfach mal geschaut: Wie ist es in New York wirklich? Wie ist es in Amerika, wo House Dance quasi entstanden ist? 

Auch sehr spannend ist es in Paris - da waren wir letztes Jahr. Wir haben dort ein Stück kreiert und gemerkt, dass die Club-Kultur da wieder ganz anders ist. Sowie halt auch generell die Kultur und Bevölkerung dort. Vor Ort waren es auch wieder andere Faktoren, die die Club-Kultur geprägt und ermöglicht haben. Außerdem ist die House Dance Szene da einfach viel größer als in Österreich.

Also Paris und New York sind definitiv die House Dance und Music Metropolen, in denen man gewesen sein sollte.

Olivia und Farah während der Performance PUSH an der Hector-Peterson-Schule © Miriam Tamayo

Was bedeutet Tanz für euch?

Tanzen ist einfach ein Ventil aus dem Alltag auszubrechen, sich den Kopf frei zu tanzen, sich zu lösen von diversen Problemen. So z.b, auch von dem Gefühl unter Druck zu stehen, was wir ja auch in der Performance PUSH behandeln.

Und es ist einfach meistens (nicht immer natürlich) ein sehr schönes Gefühl, seinen eigenen Körper zu spüren und sich mit dem Körper auszudrücken. Nicht mit Worten, sondern einfach mit dem eigenen Körper. Außerdem ist House Dance als Tanzstil sehr stark an die Musik gebunden, bei anderen Tanzstilen ist das vielleicht weniger der Fall. Aber House lebt nun mal voll von dieser sehr Bass-lastigen, starken Musik. Und es ist einfach schön sich dazu auszudrücken, sich von der Musik treiben zu lassen.

Also würdet ihr sagen „House“ ist ein Tanzstil, der ohne Musik nicht existieren könnte?

 Man kann schon auch ohne House Musik den Stil tanzen, aber im Grunde gehört beides zusammen. Der Ursprung des Tanzstils ist die House Musik der Clubs.

Jetzt gehen wir damit zwar raus aus den Clubs, in die Studios oder auf die Theaterbühnen. Aber ohne House Musik nimmst du dem Stil ein wichtiges Element weg. Ich weiß nicht, ob ich es dann noch als House Dance bezeichnen würde.

Würdet ihr Tanz als eine Art „Alternative zu Worten“ bezeichnen?

Ja, auf jeden Fall. Und die Sprache, die ich gelernt habe in den letzten Jahren ist eben House Dance und Hip Hop.

Wie kommt es, dass ihr im Duett tanzt? Was ist das Besondere daran für euch?

Also wir haben uns mit 12-13 Jahren in einem Hip Hop Kurs kennen gelernt, und dann relativ früh mit einer Gruppe Mädchen begonnen Meisterschaften zu tanzen. Irgendwann waren wir dann - mit diversen Höhen und Tiefen - nur noch zu zweit.

Jetzt haben wir unseren Verein, den wir 2006 gegründet haben. Damit haben wir auch ein Battle organisiert und sind sehr zusammengewachsen. Sowohl beruflich als auch freundschaftlich haben wir sehr viel zusammen erlebt. Durch viele Erlebnisse hindurch sind wir immer (auch hauptberuflich) dabeigeblieben, und das als Duo, was gar nicht so oft vorkommt.

Was waren euere Traumberufe als Kind?

Wenn ich meine Freundschaftsbücher von früher anschaue, steht darin: „Blumenpflückerin“. Und ich wollte immer Psychologin werden.

Und habt ihr schon immer gerne getanzt?

 Also ich tanze glaub ich schon seit ich laufen kann - es gibt viele Videos von mir als Kind, wo ich tanze. Und dann habe ich mit sechs Jahren an der Volkshochschule den ersten Kurs besucht.

Lustigerweise haben wir dann beide mit 18 in einem Interview mal gesagt, dass wir niemals hauptberuflich Tänzerinnen werden wollten, weil es dann Arbeit wäre und nicht mehr so viel Spaß machen würde. Deshalb ist uns dieser Spaßfaktor so wichtig.

Was war die krasseste Reaktionen, die ihr jemals auf ein Tanzstück bekommen habt?

Ich habe mal ein Solostück mit einer Kompagnie gemacht, wo es um meine muslimischen und christlichen Wurzeln ging. Da war ich verhüllt auf der Bühne und dann eben auch enthüllt und habe enthüllt auf einem Teppich getanzt. Im Anschluss ist eine Person aus dem Publikum zu mir gekommen und hat sich voll aufgeregt hat, dass das gar nicht geht. Das war die heftigste Reaktion, die mir einfällt und die eben zeigt, was Kunst auslösen kann.

Auf der anderen Seite gab auch schon Leute, die ein Stück immer wieder angeschaut haben und jedes Mal geweint haben, weil es sie so berührt hat.

Olivia Mitterhuemer und Farah Deen beim Tanzen
Bei den Proben zu PUSH © Miriam Tamayo

Welche Erfahrung habt ihr hier an der Hector-Peterson-Schule gemacht?

Es war sehr cool. Insgesamt haben wir mit mindestens sechs unterschiedlichen Klassen Workshops durchgeführt. Nach den Tanzworkshops haben wir uns mit den Schülerinnen ausgetauscht. Mit den Themen, die dort aufgekommen sind, haben wir dann angefangen ein Stück zu kreieren. Bei Proben vor anderen Klassen haben wir dann direkt Feedback zur Stückentwicklung bekommen. Das war ein sehr spezieller Prozess, weil wir nie zuvor sofort so viel Feedback bekommen haben und auch so viel ehrliches, ungefiltertes Feedback von Schülerinnen, die jetzt nicht jeden Tag ins Theater gehen.  

Es war auch ein Erfolgserlebnis, dass viele Schüler*innen, bei denen die Lehrkräfte vorausgesagt hatten, dass die im Unterricht oft gar nicht so viel mitarbeiten, dann bei den Tanzrunden voll aus sich herausgekommen sind, ganz aktiv Beiträge geleistet haben und voll aufgegangen sind. Das war schön.
Zeichnung von PUSH © Nora Haakh

Seid ihr sehr aufgeregt, bevor ihr auftretet?

Ja schon, aber im Normalfall freut man sich auch sehr und ein bisschen Lampenfieber ist einfach wichtig. Sonst wäre es auch irgendwann langweilig.

Ein kleiner Nervenkitzel ist immer dabei, wenn man auf die Bühne tritt. Man ist dann voll mit seinem eigenen Körper beschäftigt und spricht auch aus seiner Seele irgendwie, was natürlich immer wieder auch eine Überwindung ist.

Was machst du, wenn du auf der Bühne ein Blackout bekommst?

Das passiert schon hin und wieder. Aber einfach weiter machen, das haben wir schon bei den Show-Meisterschaften immer wieder gelernt: einfach so tun, als wäre es geplant. Wir erinnern uns dann immer wieder daran, dass das Publikum ja eigentlich gar nicht weiß, was wir machen wollen.

Ist es schwierig, mit Tanzen Geld zu verdienen?

Also bei uns geht es gut, aber man muss ständig dranbleiben und neue Jobs generieren, die fliegen einem im Normalfall nicht einfach so zu. Du musst hart dafür arbeiten, aber wir können uns, glaube ich, nicht beschweren. Wir leben gut davon und sind zufrieden.

Aber manchmal hat man mehrere Projekte gleichzeitig und dann manchmal eben gar keins. Es ist halt immer ein auf und ab. Daran muss man sich gewöhnen, wenn man als Tänzer*in selbstständig arbeiten möchte. Aber man merkt: je mehr man reinsteckt, desto mehr kommt auch irgendwann zurück.

Danke für das Interview Olivia und Farah!